History

erstellt am: 28.07.2022 | Kategorie(n): Natur, Publikationen |

Das Leben rückwärts sortieren. Geht nicht. Zeitfresser. Ich habe beschlossen, nach vorne zu denken. Die Restzeit zu nutzen anstatt sie mit Doku vergangener Zeiten zu verplempern. Ist natürlich falsch. Mit „Geschichte“ verplempert man keine Zeit. Menschen, die versuchen alles mögliche (eigentlich ja nur Vergangenes, schließlich ist die Gegenwart schon vorbei, wenn ich das denke) in Bezug auf sich selbst, zur Welt, zu den anderen und zur Umgebung zu setzen, also wohl ich, haben ständig (mehr) zu tun. Die Vernetzung spinnt einen ein in ein immer dichter werdendes Gewebe (ich sage jetzt nicht „komplex“) – bis man nicht mehr durchblickt. Also ich. Ich scheue mich, mich in die Reihe der gerade modernen „Ich-Autoren“ (haha, habe ich Autor gesagt?) einzureihen, merke ich gerade. Ich merke aber auch, dass es fast nahezu unmöglich ist, eine andere Perspektive zu wählen.

Vertrackt

So, jetzt aber genug damit. Das war gerade eine vertrackte Einleitung (um nicht zu sagen, mich drumherum zu winden) für das, was jetzt kommt. Ein historisches „Gedicht“, wenn man es denn so nennen will, diese paar Zeilen. Das wirklich Merkwürdige daran ist, dass es aus dem Jahr 2008 stammt.
Den Reim darf man sich selbst drauf machen.

(Apropos, das Ding ist so gut wie original – also peinlich – die besonders peinlichen Stellen habe ich aber gehobelt, sorry. Es waren genau zwei. Man muss sich ja nicht noch mehr blamieren). Danke für das Verständnis.

Der Wald.
Ein Vorwurf.

Du hast mich lange nicht beachtet.
Und trotzdem war ich immer da.

Für dich bestand ich virtuell.
In Schlagzeilen der Zeitung, als der saure Regen kam.
Wer spricht heute noch davon?
Mein Überlebenswille funktioniert in aller Stille.

Du zogst das Licht der Städte vor.
Während mein buntes Herbstlaub heimlich strahlte.

Dort schätzt man geistige Getränke.
Und nicht den Geist, der nur im Märchen spukt.

Die Pilze, die auf meinem Boden wachsen,
selbst diese wurden ausgelagert. In eigene Kulturen.
Worte wie Halbwertzeit hinterlassen ihre Spuren.

Es wurden viele Äste abgesägt,
manchmal auch der, auf dem man saß.
Ich wurde oft genug verheizt,
das ließ dich alles völlig kalt.

Man stopfte mich mit Fichten voll, die kahlen Stellen zu kaschieren.
Ich litt an Käfern, Parasiten, Viren.
Ich weiß, die Zeiten ändern sich. Auch ich muss das kapieren.

Doch irgendwann wendete sich das Blatt.
Du hast die Stadt satt und kommst mich ab und an besuchen. 

Du siehst das frische Grün des Mooses,
du spürst das Laub unter den Füßen.
Du hörst die Vögel in den Bäumen
und isst von Beeren, die helle Wege säumen.
Es riecht nach Freiheit. Du nimmst ein Bad in meinen Armen.

Deine Gedanken lässt du fliegen, die Sinne in den Zweigen wiegen. 
Und plötzlich erkennst du mich in jedem Ding.
Im Papier. Im Pinsel. In den Formen. In den Farben.
Ich bin die Luft in deinen Lungen.
Mit jedem Atemzug bist du – dem Wald so nah.

© zimmer-pietz 23.10.2008 / 2022

Das lese ich gerade. Skulptur von Pedro Zamorano

Und dabei gibt es Dinge, die so schön sind, dass man weinen könnte:


Apropos Weinen. Meine Nachbarin spielt zwischen ihrer Humtatamusik ein neues Lied! Geteiltes Leid ist halbes Leid.