
Ich hatte jetzt ein bisschen Zeit zum Lesen. Leider auch die Zeitungen. Kardinalfehler.
Die Bücher waren okay, aber keines hat mich vom Hocker gehauen. (Wolf Haas, Wackelkontakt, okay; Hape Kerkeling, Gebt mir etwas Zeit, nagut; Martin Suter, Allmen und die Erotik, nett; Mieze Medusa, Was über Frauen geredet wird, eh schon wissen. Aber ein Buch hat mich dann doch begeistert. Inhaltlich, formal und sprachlich: Jenny Offill, „Amt für Mutmaßungen“, Roman, 161 luftige Seiten (aus dem Englischen von Melanie Walz), Penguin Verlag, 1. Auflage 2017, Deutsche Verlagsanstalt Mchn. © 2014
Und ich habe keine Ahnung, wie dieses Buch zu mir gefunden hat. Ich hatte es plötzlich in der Hand (war am Entrümpeln). Es handelt einfach vom Leben. Von Beziehungen. Von Sichtweisen. Von Menschen. Der Plot ist nicht so wichtig … Hat mich ein wenig an Annie Ernaux erinnert. Genau beobachtet, nicht geradlinig erzählt, erzeugt mit wenigen Worten dichte Stimmungen. Und hat Witz.
Auf Seite 14 findet sich folgender Absatz:
„Ich hatte beschlossen, nie zu heiraten. Stattdessen wollte ich ein Kunstegomane werden. Frauen werden so etwas fast nie, weil solche Ungeheuer sich nur mit Kunst beschäftigen und nicht mit Alltagsdingen. Nabokov hat nicht einmal seinen Regenschirm zugemacht. Vera hat für ihn die Briefmarken geleckt.“
Anmerkung: Ob das geklappt hat mit dem Kunstegomanen müsst ihr selbst herausfinden.

Was besteht denn noch in unserer Zeit?
Ich komme mir idiotisch vor, irgendwelche Lallergeschichten ins Netz zu stellen, während ganze Landstriche entvölkert werden und den Menschen rundherum Bomben auf den Kopf fallen. Aber was soll ich tun? Kleinklein vor mich hindenken.
Hier eine Kostprobe:
BELLO
Als Kind, so mit 3, 4, hatte ich eine „blühende Phanstasie“ – wie man so schön sagt.
Und einen Hund. Der Hund hieß Bello, was wohl weniger auf den Namen „der Schönling“ hindeutete als vielmehr dem Geräusch geschuldet war, das Hunde für gewöhnlich von sich geben. Bello bellte aber nicht, er war eher still – im Gegensatz zu mir, die ich ständig auf ihn einredete, ihm Kommandos gab oder Geschichten erzählte, die er mit stoischem Schweigen quittierte. Er folgte mir auf Schritt und Tritt an seinem Band, ab und zu quietschte er oder hüpfte auf und ab.
Bello begleitete mich durch meine kleine Welt, in der die Blumen blühten und die Karotten aus dem Boden lugten. Unser Garten. Alles ohne die Gefahr, dass Bello eine Katze anknurrte, seinen Weg markierte oder gar sein „Geschäft“ hinterließ. Er war gut erzogen. Wir verbrachten Stunden um Stunden im Freien, wanderten vom Gemüsebeet zum Rasen, von einem Blümchen zum nächsten, zum Obstbaum und zurück. Ein Paradies.
Wenn ich Appetit bekam, zog ich eine Karotte aus der Erde oder steckte mir ein paar Erbsen in den Mund. Alles bio. Automatisch. Bello aß nichts.
Ich hatte alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein. Frische Luft, Auslauf, Essen, Pflanzen und ein Tier. Ich passte auf Bello auf so gut ich konnte. Er schien sehr flexibel und robust, machte alles mit, hatte aber auch seine empfindliche Seite. Eine falsche Bewegung – und Bello war nicht mehr. Bello war ein Luftballon.

Es ist zum Wegrennen. War es früher wohl auch schon …