Keine Geschichten

erstellt am: 12.10.2021 | Kategorie(n): Aktuelles, Tipps |

Eher so:

Wie herrlich ist es, nichts zu tun und dann vom Nichtstun auszuruhen.

Heinrich Zille

oder:

Bei Licht besehen, sind Ruhe und Glück überhaupt dasselbe.

Theodor Fontane

Heißt: Ideen und Inspiration gibt es genug, allein es fehlt die Zeit (Muße).

Gelesen

Tatsächlich. Ich habe gelesen. Was mir gefiel:

Celeste Ng: Was ich euch nicht erzählte. Roman.
dtv München, 9. Auflage 2020, © 2014 (Everything I never told you)

Berührendes Buch mit einem genialen Anfang:
„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht. Am 3. Mail 1977 um halb sieben …“
Normalerweise bin ich kein Fan von Famililengeschichten. Hier mache ich eine Ausnahme.

Mal wieder eine geniale Verwendung meines Vornamens. Helga. Klar. Who …

Wo ich sehr gelacht habe:
Linus Reichlin: Señor Herreras blühende Intuition. Roman
Galiani, Berlin 1. Auflage 2021, 270 wunderbare Seiten.
Der Schweizer Autor nimmt so ziemlich alles aufs Korn, was
es gibt. Ein Schriftsteller geht ins Kloster mit einem „Romankonzept“.
Sehr komisch! (Also, sagen wir, für MEINEN Humor).

Für mich faszinierend: so gut wie alles in indirekter Rede geschrieben, keine Dialoge – und trotzdem spannend! Cool. Beispiel, Zitat:

„… haben Sie das Kleingedruckte nicht gelesen? Das steht doch auf der Internetseite, da steht: Übernachtung und Verpflegung und nicht: Mit Zisterzienserinnen strengerer Observanz essen und plaudern und mit ihnen in der Kirche rumsitzen. Nein, sagte ich, das stand da nicht, da stand: Erleben Sie die authentische Klosteratmosphäre, nehmen Sie teil am Klosterleben
Er ging, und ich dachte, er hat recht, es ist meine Schuld, ich hätte mich genauer informieren sollen, nie informiere ich mich genau, in was für Scheißhotels bin ich schon gelandet, weil ich zu faul war, mir die Zimmerfotos anzusehen, jetzt stecke ich in einem Kloster mit Eremitinnen fest!

(Und, super Erkenntnis ;)):
„Wenn es darum ging, produktive Fehler zu machen, konnte ich mich auf mich verlassen.“

Aktuell

Nochwas habe ich gelesen. Und obwohl das Buch schon 1987 zum ersten Mal veröffentlicht wurde (erneut aufgelegt mit einem Vorwort von 2001, kurz nach 9/11), erhellt es doch so einiges zum Thema Afghanistan, das ja plötzlich wieder Aktualität bekommen hat … Wer also will, es liest sich super und man begreift (vielleicht) manches, im Nachhinein.

Doris Lessing: Der wind weht unsere Worte fort. Afghanische Betrachtungen. btb Goldmann Verlag, 1. Auflage Dt. Mai 2002; 191 Seiten.

Es handelt von den Menschen, der Landschaft, dem Leben in Afghanistan und Pakistan, man hat dort mit den MENSCHEN gesprochen, sie gehört, ihre Meinung hören wollen.

Zitat: „Schwerlich kann man den Plan begrüßen, Bodentruppen in dieses Land zu schicken, um gegen Menschen vorzugehen, die im Krieg gelernt haben, halb verhungert zu kämpfen, die immer umhergezogen sind und mit schweren Lasten Berghänge hochklettern können, vor denen selbst eine Ziege zurückschreckt.“

Ach ja, ich kann euch auch sagen, welche Bücher man nicht zu lesen braucht. Und das, obwohl ich Fan von beiden bin: 1. Michel Houellebecq „Lanzarote“ und 2. die Autobiographie von Woody Allen „Ganz nebenbei“. Das erste ist eine seltsame Sexgeschichte, zu der die Süddeutsche Zeitung sagt: „Die traurigste Reisegeschichte der neueren Literatur“, wobei ich fast das Wort „Literatur“ in Frage stellen würde – und das zweite ist ein name-dropping für Fans, die lückenlos wissen wollen, wann Woody Allen mit wem was gemacht hat und warum. Vermutlich für Kenner ein Genuss, für mich anstrengend …

Und sonst noch?

Ja, die Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz ist wieder offen! Zur Eröffnung Eintritt frei – und eine Ausstellung „Hungry for Time“ in der Gemäldegalerie. Wo vorher die ganzen wunderbaren alten Schinken hingen, gibt es jetzt spärlich gestreut die alten Werke in Bezug gesetzt auf aktuelle Arbeiten. Eine ältere Dame äußerte ihren Unmut beim Verlassen der Ausstellung, sie hätten ja mehr kaputt gemacht als renoviert und außerdem … usw. Ebenso enttäuscht waren die (englisch-sprechenden) Touristinnen, die vor dem zugeklappten Triptichon von Hieronymos Bosch (Weltgerichts- oder Weltuntergangs-Triptichon) standen. Man konnte eben nur die Rückseite sehen. Jacobus Major und St. Bavo (habe ich von Wiki), in „Schwarz/Weiß“, haha. Ich weiß nicht, ob sie das Werk auch restauriert haben (ist schließlich von 1485-1505), in Wiki steht: „Durch mehrere Restaurierungen in der Vergangenheit befindet sich das Bild in einem schlechten Erhaltungszustand.“

(Ich fand ja die Ausstellung rechts, (Thicket of Ideas, Thicket of Times) – kein Schreibfehler – interessanter) …