Kannte ich nicht. Ich bin erst bei einem Artikel aus der El País drauf gestoßen. Da heißt es, dass „jolodomor“ (in Abwandlung von Holodomor) Töten durch Erfrieren, als Kriegswaffe in der Ukraine eingestetzt werde (Infrastruktur zerstören, Heizungen fallen aus …).
Das ist eine Anspielung auf den „Holodomor“ (Hungertod) in der damaligen Sowjetunion. Zwischen 1932-33 hat man Millionen von Ukrainern bewusst verhungern lassen. Verschiedene Schätzungen schwanken zwischen 3 und 7 Millionen Toten. Natürlich wurde die Erinnerung daran (und an andere stalinistische Verbrechen) lange Zeit unterdrückt, untersagt, verdrängt. Jetzt, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, gelangt der Holodomor wieder ins Bewusstsein der Ukrainer.
Missernte, Zwangskollektivierung und Deportation – um nur ein paar Schlagworte zu nennen. Gerne nachzulesen bei Wikipedia. Und dann das schwierige Wort Genozid. Das Dritte Reich hat sechs Millionen Juden auf dem Gewissen. Nur so zum Vergleich. (Damit will ich nichts verharmlosen, nichts beschönigen, keine Partei ergreifen, niemanden angreifen – das muss man ja heute dazusagen). Jede/r Tote tut weh.
Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum anderen zu gehen, ohne seine Begeisterung zu verlieren.
Winston Churchill
Solastalgie.
Wie die Menschheit mit der Welt umgeht, macht Angst. Nämlich: Solastalgie. Man darf Angst vor dem Klimawandel haben, sagt dem Spiegel die Psychologin Nadja Hirsch. Gründerin des Instituts für Klimapsychologie in München. Noch ist das keine anerkannte Krankheit (und es gibt kein Medikament!), weil die Symptome wohl sehr individuell sind … Ein Fall für die Therapeuten. Wie so viele.
Nachtrag zur Sinnsuche. Hat das jemand gelesen? Ein Buch von Ingo Hamm. „Sinnlos glücklich: Wie man auch ohne Purpose Erfüllung bei der Arbeit findet“ (2021).
Es taucht ständig der japanische Begriff igikai auf. In einem Zeit-Interview erklärt die Psychologin Katharina Stenger igikai;
Stenger: Das Wort „Ikigai“ lässt sich einteilen in „Iki“, was „Leben“ bedeutet. Gemeint ist hier das Leben im Ganzen, aber auch das alltägliche Leben. „Gai“ lässt sich mit „Wert“ übersetzen. Ikigai kann sowohl „wertvoll leben im Alltag“ als auch „Sinn des Lebens“ bedeuten. Die Menschen in Japan meinen damit das, was unser Leben lebenswert macht, oder das, wofür wir morgens aufstehen. Dies zeigt schon, dass Ikigai sowohl den ganz großen als auch den kleinen Sinn meint, den wir im Alltag finden können. Das ist das Schöne, denn dadurch wird dieses schwere Wort „Sinn“ für Menschen greifbar. Zitat Ende. Nämlich: Der Sinn des Lebens.
Also: warum soll man morgens (oder wann auch immer) vom Bett aufstehen? Hat das was mit der Frage zu tun „Wer bin ich?“, nach dem Motto: Was mache ich hier? Und für wen? In der Küchenpsychologie im El País Semanal (21.3.2024) werden drei Stufen vorgeschlagen: Selbstkenntnis, Erkundung (Suche?), Versuch und Irrtum. Selbst(er)kenntnis: Wofür tauge ich? Was kann ich der Welt (!) anbieten? Sprich: habe ich ein spezielles Talent? Suche: Etwas unternehmen, Erfahrungen machen, Gespräche führen, an Projekten teilnehmen usw. Sinn kommt nicht von allein, man kreiert ihn. (Sagt übrigens auch der gute Herr Lesch.) Versuch und Irrtum: Einfach solange suchen, bis einem ein Licht aufgeht. Ausschlussverfahren: wissen, was man nicht will – zu dem kommen, was man will.
Beispiel: Es fehlt an Freundlichkeit in der Welt. Also, wie kannst du dazu beitragen, dass die Welt freundlicher wird? (Küchenpsychologie wäre ja nicht Küchenpsychologie, wenn sie nicht derart nützliche Tipps geben würde). Dazu brauchen wir das WAS, das WIE und das WARUM (nach Simon Sinek, Autor und Unternehmensberater, sprich: business-coach). Diese drei Fragen sollte man kurz und knapp beantworten können. Wenn man das Warum nicht rauskriegt, muss man woanders suchen.
Und vielleicht dauert die Suche ja ewig an. (Meine ich). Autor der Küchenpsychologie in der El País: Francesc Miralles (escritor y periodista experto en psicología). Soweit, sogut. Aber ich wollte mich ja eigentlich dem Thema Sinn in der Arbeit widmen. Purpose! (In aller Munde).
Sinn (in) der Arbeit
Da heißt es dann „purpose“. Klar. Man gibt Sinnsuche bei Mr. Google (oder wem auch immer) ein und es kommt ein Video über „purpose im Job“. Und natürlich noch jede Menge. Man könnte sich tagelang durchwühlen. U.a. untersucht auf Terra X (ZDF) Harald Lesch den Sinn des Lebens (interessant, Sendung vom 23.4.23, Was ist der Sinn des Lebens?). Er sagt, heute könne sich jeder seinen Sinn selbst erschaffen (s.o.) und es gäbe viele Antworten auf die Frage. Hauptsache, man sucht.
„Die Zeit“ (online) titelt: „Selbstverwirklichung im Beruf Zu viel Sinn macht krank Die Arbeit ist erfüllend, der Job ein Ort für Selbstverwirklichung? Wer das glaubt, erwartet von seinem Beruf meist mehr, als dieser liefern kann.“ (Autorin Katrin Wilkens, 28.2.24, DIE ZEIT 10/24) Übrigens sehr lesenswert.
Sie sagt: „Sinn ist das große Versprechen von New Work [https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-03/sinn-von-arbeit-wirtschaftspodcast], der dominierenden Arbeitsplatzideologie der jüngeren Vergangenheit.“ Sie zitiert die vielen Kalendersprüche. Dazu passt mein Lieblingsposter (tausendmal gepostet).
Krankmeldungen wegen psychischer Erkrankungen nehmen zu. Katrin Wilkens dazu: „Vielleicht hat der massive Anstieg der seelischen Belastungen auch damit zu tun, dass viele Betroffene es in ihrem Kopf einfach nicht zusammenkriegen: dass die stumpfsinnige Alltagsroutine ihres Jobs im Büro, an der Werkbank oder im Lager angeblich Sinn stiften soll. Oder sie erfüllt. Schlimmstenfalls: sie als Menschen überhaupt erst definiert.“
Sie meint, den Sinn des Lebens hätte noch niemand überzeugend erklärt, aber den Sinn der Arbeit wollen alle kennen und legten ihn im „mission statement“ des Unternehmens fest. „Purpose“ kostet erstmal nichts. Und wenn man die Mitarbeiter:innen mit Sinn entlohnen kann anstatt mit Geld, wird es eben billiger. Zitat Wilkens: „Kurz: Wenn Sinn und Geld erst einmal gleichberechtigt nebeneinanderstehen, kann man seine Leute eben auch in Sinn bezahlen. Eine Zeit lang werden sie das mitmachen. Bis sie irgendwann erkennen, dass sie den versprochenen Sinn nicht finden – und dann an ihrer Tätigkeit oder gleich an sich selbst verzweifeln.“
Es gibt vielerlei Lärme. Aber es gibt nur eine Stille.
Kurt Tucholsky
In diesen Zusammenhang passt „the great resignation“ in den USA: Millionen Arbeiter:innen kündigen am Ende der Pandemie, weil sie nicht sehen, dass sie etwas dazu beitragen können, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Diese Kündigungswelle schwappte wohl auch auf andere Länder über.
Eine Quelle des ständigen Unzufriedenseins sei, so Wilkens, die permanente Gleichzeitigkeit der Aufgaben. Lösung: eins nach dem anderen machen. „Purpose“ löst die Sinnfrage aus (Stress!), ebenso wie die Glückssuche, wie ICH meine (oh Gott, bin ich glücklich?) – der Vorschlag der Autorin: das Wort purpose durch Freude zu ersetzen. Klingt schon halb so anstrengend. Und dann natürlich die Frage: Was macht mir Spaß/Freude?
Sisyphos
Auf der Plattform XING werden verschiedene Ansätze präsentiert, wie man einen Sinn (in der Arbeit) finden kann. Dort heißt es: „Offenheit für neue und sogar spirituelle Ansätze sind auf dem Vormarsch.“ Die Erklärung wird auch mitgeliefert: „Wenn Menschen das Gefühl haben, sich nur noch auf ihre inneren Werte verlassen zu können, weil im Außen so vieles instabil erscheint, dann fragen sie automatisch: „Macht es für mein Leben Sinn, was ich hier tue? Entspricht meine Arbeit meinen moralischen Werten und dem, wofür ich einstehen will?“ Der Wunsch, den eigenen Selbstwert zu stärken, ist eine Reaktion auf die Krisen im Außen.“ Die Jungen (ab 25) legen angeblich bei der Arbeitssuche Wert auf: 1. Unabhängigkeit. 2. Flexibilität/Spaß und 3. Sinn. Also dann: viel Spaß!
Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten.
Es gibt bestimmt freundlichere Oster-Cartoons. In meinen kommt immer „Arsch“ vor. Man sagte mir, es gäbe Schokoladenmangel. Der größte Schokolieferant in Afrika habe Lieferprobleme. Schokolade – das neue Gold? Gab es deshalb gestern in dem Regal, in dem die Milka-Schokoladen liegen, nur noch leere Schachteln? Und keinen einzigen Osterhasen? Ostern ohne Schokohase? Und kein Schokoei in Sicht, nur die Hühnereier …
Glück und Sinn. Zwei große Irrtümer.
Das letztemal war Glück auf dem Programm. Ergänzend zu den vielen Glücksreporten (reports?) … Ach ja, angeblich kennen die Finnen keinen Neid und schätzen das soziale Miteinander!
Und, schon im Dezember 2023, hatte ich mir notiert: Laut einer vom „Independent“ veröffentlichten Umfrage von Eurostat sind die Österreicherinnen und Österreicher die glücklichsten EU-Bürger. Da landen die Finnen nur auf Platz 2. Bei der Bewertungsgrundlage, die die „Indikatoren für Lebensqualität“ misst, erreichte Österreich 7,9 von zehn möglichen Punkten. Österreich verwies damit Polen, Rumänien und Finnland auf den geteilten zweiten Platz, die jeweils alle 7,7 Punkte erreichten. Es folgten: Belgien, die Niederlande, Dänemark, Slowenien und die Tschechische Republik. Die großen Volkswirtschaften Italien, Spanien und Frankreich bewegten sich mit 7,1 Punkten im Mittelfeld des Rankings. Besonders Deutschland fällt jedoch bei der Studie als unglücklicher Staat auf. Die nördlichen Nachbarn landeten vor Bulgarien auf dem vorletzten Platz. (Aus österreichischer Sicht geschrieben, offensichtlich mit einer gewissen Schadenfreude)
Sinnig
Ich möchte mir hier nicht anmaßen, über den Sinn des Lebens zu sinnieren (ich glaube, es gibt keinen;). Ich habe nur festgestellt, dass man mittlerweile nicht nur den Sinn des Lebens (wie das Glück, vergeblich) sucht, sondern auch den Sinn und die Erfüllung im Job. Purpose ist das (neue?) Schlagwort. Gibt es deshalb überall Personalmangel? (Spaß! – oder doch nicht?). Wenn ich das Thema klar habe, geht´s weiter …
Erstmal frohe Ostern!
„Ein Kompromiss ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen.“ Ludwig Erhard
Heute werden offensichtlich Kompromisse geschlossen, wo jeder das Gefühl hat, er sei um seinen Teil beschissen worden. Dabei sind die Kuchen oft viel größer als damals …
Schonmal was von „Nikomachischer Ethik“ gehört? Ich nicht. Bis jetzt. Kreist irgendwie um Aristoteles. Der meinte ja, um Glück zu empfinden, müsse man folgende zehn Tugenden entwickeln/praktizieren:
Im World Happiness Report 2023 (Daten von 2022) belegen die Finnen Platz 1 (natürlich gibt es auch andere Glücksrankings, die andere Kriterien zugrunde legen), Deutschland liegt auf Platz 16, Österreich auf Platz 11. (Israel auf Platz 4!, gut, vor dem Krieg …), die Niederlande auf 5. Saudi-Arabien (30) liegt vor Spanien (32) und Italien (33). Hä? Ich fürchte, die nikomachische Ethik ist überholt …
In einem Artikel der El País (schon vom 18.2.24) schreibt Daniel Mediavilla, dass Glück, jenseits von Einkommen, mit Gemeinschaftssinn, einer nahen Verbindung zur Natur und einer tiefen Spiritualität zu erklären ist. (Er spricht vor allem von indigenen Völkern).
Geld macht nicht glücklich. (Legt aber, wenn man keinen Mangel hat, den Grundstein für Zufriedenheit). 70% der Lottogewinner (Untersuchung USA) sind fünf Jahre danach finanziell ruiniert. Mehr als Geld zählen soziale Kontakte, Familie und Gesundheit. Geben ist seliger als Nehmen (macht glücklicher), wobei ja oft die mehr geben, die weniger haben als die, die mehr haben (obwohl sie sich ja glücklicher machen könnten und es einfacher ist einzuladen, wenn der Geldbeutel voll ist) … Ich schweife ab.
Ebendieser Mediavilla zitiert im Artikel Marino Pérez von der Psychologie-Akademie in Spanien, der meint, dass Glück etwas sehr Subjektives sei … und (frei übersetzt): Die ständige Suche nach dem Glück ist einer der Gründe für mentale Probleme der westlichen Gesellschaften und der neuen Generationen. Glückssuche ist eine unlösbare Aufgabe. Denn das Glück erkennt man erst nachträglich. Und dann sollte man sich erinnern, dass man glücklich war, auch wenn man es nicht gewusst hat.
Robert Waldinger (wer immer das ist): Das ständige Suchen nach dem Glück macht unglücklich.
Problematisch sei die öffentliche Darstellung von dem, was viele Menschen unter Glück verstehen. Glück werde oft wie ein Preis gesehen, den man sich erarbeiten oder gewinnen kann und dann sein Leben lang behält. „Natürlich funktioniert das so nicht“, sagt Waldinger.
*** Vom Glück zum Sinn … später. Jetzt erstmal Unsinn:
Selbst ist die Frau: Selbstgespräche sind gesund. Das habe ich ja schon oft zitiert. Sie helfen sich etwas zu merken und reduzieren Stress. (Quelle: Radio). Am besten ist es, wenn man in der dritten Person spricht, um eine emotionale Distanz zu halten. Ich spreche mich meist mit meinem Nachnamen an.
Und dann noch Prof. Stefan Kölsch: Die dunkle Seite des Gehirns. Wie wir unser Unterbewusstes überlisten und negative Gedankenschleifen ausschalten. Ullstein extra, 2. Auflage 2023, rund 350 Seiten (ohne Anhang gerechnet). Bisschen merkwürdig, wenn ein Autor sich Professor im Titel nennen muss 😉 Und ein bisschen schulmeisterlich, die Tipps.
Das meiste kennt man – trotzdem ist es gut, sich ab und zu klar zu machen, wie der Mensch funktioniert und wie die vermeintliche Schaltzentrale arbeitet. Und wie nützlich es sein kann, ab und zu den Verstand einzuschalten (was offensichtlich völlig aus der Mode geraten ist).
Auf Seite 58 steht zum Beispiel:
„Unsere Sinnesorgane nehmen jede Sekunde eine unvorstellbar große Menge an Informationen auf: circa eine Milliarde Bits, das entspricht der Information von 125 Büchern. Von dieser Menge an Informationen filtert das Gehirn zunächst über 99 Prozent heraus. Es verarbeitet lediglich drei Millionen Bits weiter, das sind etwas weniger als 200 Buchseiten pro Sekunde. Diese Informationen werden größtenteils unbewusst verarbeitet, bewusst wird uns davon wiederum nur ein winziger Teil: etwa 100 Bits, das entspricht einem kurzen Satz mit zwölf Zeichen. Es kann aber auch weniger sein.“
Zwölf Zeichen. Das waren jetzt aber mehr. Was ist ausgefiltert worden?
Louisianamoos. Muss man haben.
Der liebe Professor erklärt in dem Buch, warum uns das Unterbewusste (er nennt das bewusst so in Abgrenzung zu Sigmund Freud) krank machen kann oder zu falschen Entscheidungen/Einschätzungen verleitet, warum wir so schwer etwas hergeben können, wenn wir es einmal haben (Materielles ebenso wie Meinungen) und warum wir so leicht manipulierbar sind. Wir tendieren dazu, uns der Gruppe/Sippe anzupassen und können schwer mit Veränderungen umgehen. Wir können sogar falsche Erinnerungen von Erlebnissen, die nie stattgefunden haben, abspeichern.
Immerhin macht Mut: „Tatsächlich sorgt das Unterbewusste stets dafür, dass die Einstellung folgt, sobald man sein Verhalten ändert.“
Und einen Tipp hat der Professor auch für uns. „… ist der vielleicht wichtigste Tipp dieses Buches: Akzeptieren Sie sich bedingungslos als würdevollen, vollwertigen Menschen.“
In diesem Sinne …
Ich achte nicht auf die Vernunft. Die Vernunft empfiehlt immer das, was andere gerne möchten.
Sollen bestimmte (Werte, hätte ich beinahe gesagt) „Dinge“ nicht untergehen: Weitsicht, Solidarität, Verstand, Humanität, Warmherzigkeit, Verbindungen, Verständnis, Verzeihen, die Erde und und und … Darauf trinke ich. Prosit Neujahr 2024!
Ich habe lange nichts geschrieben. Erstens: Alles, was man aufschreibt, muss zunächst einmal durch den Kopf wandern. Wenn da schon andere Völkerwanderungen unterwegs sind, bleibt kein Platz. Zweitens: Schreiben erfordert Zeit und Muße. Vor allem Zeit. Möglichst an einem Stück. Wenn die Zeit wegrennt, muss man erstmal versuchen sie aufzuhalten. Drittens: Man kann natürlich auch irgendeinen Blödsinn schreiben (wie jetzt). Möchte man aber nicht. Heißt, es wäre schön, wenn man ein Thema (oder was auch immer) findet, das einen selbst und vielleicht auch andere interessiert. Viertens: Vielleicht können manche Leute im Stehen/Gehen schreiben (diktieren?). Ich nicht. Ich muss sitzen. Ungesunde Haltung, nicht immer angezeigt. Fünftens (und dann höre ich auf): Man sollte sich auf das Schreiben fokussieren und nicht zwei Millionen andere Aktivitäten gleichzeitig absolvieren wollen. Tja.
Heute gibt es eine Werbeeinschaltung. (Muss ja auch mal sein).
LieblingslokalGute Sprüche, gute GetränkeLiegewiese. Die Frage ist, wielange ein Sommer hält … Joel Sternfeld.
Ich war überrascht: Das Foto von Joel Sternfeld (USA) ist aus dem Jahr 1979! Es zeigt Solarzellen, die einen Pool aufheizen. Da kann man sich vorstellen, wie lange wir schon alternative Energiequellen (hätten) nutzen bzw. weiterentwickeln können … Aber vielleicht war der Plan „Sonne“ damals nur in Kalifornien in den Köpfen, bei uns fand man da vielmehr „Regen“. Das hat sich geändert. Ewige Sonne macht die Wüste. „American Prospects“, noch bis 21.4.2024 in der Albertina.
Anekdote am Rande (was den Wandel in den Köpfen angeht): Ich sagte/schrieb neulich: „Bei uns herrscht eine unerträgliche Hitze“. Antwort: „Dann genieße das schöne Wetter.“
Es fing so an: Ich habe ein paar Samen geschenkt bekommen mit den Worten: Das ist die Pflanze, von der sich Monarchfalter ernähren. Du wirst viele Monarchfalter haben.
Gut. Wer will keine schönen Schmetterlinge im Garten haben?
Ich stand noch unter dem Eindruck von T.C. Boyle „Blue Skies“, in dem der Monarchfalter überhaupt als DER Edelfalter schlechthin beschrieben wird, hinter dem die Naturschützer her sind. (Übrigens: Lektüre empfehlenswert. Grausam, aber gut).
So. Ich habe also die Samen eingesetzt. Und siehe da! Bald danach spitzten ein paar Triebe aus der Erde, die sich sehr bald zu einem kleinen Pflänzchen entwickelten, bzw. mehreren. Und dann. Dann kamen die Monarchfalter. Die großen. Sie schwirrten herum, kreisten um die anderen Pflanzen, um sich dann gezielt auf meine kleine, gerade erst die Welt erkundende Monarchfalter-Pflanze zu setzen. Das ist ja noch ganz schön. Als die ersten Löcher in den Blättern auftauchten, bekam ich Angst um meinen Zögling. Und da war sie. Die Raupe des Monarchfalters. Lustig, gestreift. Absammeln? Umbringen? Fressen lassen?
Die Raupen fressen die Pflanze völlig kahl, verpuppen sich dann irgendwo an einem schönen schattigen Plätzchen, die Pflanze treibt wieder aus. Sagte man mir.
zielsicher
Aber so eine kleine zarte Pflanze kahlfressen lassen? Erholt die sich je wieder? Langsam interessierte mich beides. Die Pflanze und der Falter.
Meine Pflanze heißt laut App (ja, ich habe eine Pflanzen-App!) Indianer-Seidenpflanze (müsste heutzutage sicher umbenannt werden, Indianer sind ja out), latein: „Asclepias curassavica“. Stutzig machte mich, dass es ein Hundsgiftgewächs ist. Witzig, dass man ausgerechnet einen Hund, den besten Freund des Menschen, für etwas Böses hernimmt: Hundstage (scheißheiß), hundsgemein (besonders gemein) etc. In diesem Sinne ist es wohl gemeint, Hundsgift. Und da lese ich, dass die Seidenpflanze giftig ist. Zumindest für Säugetiere wie den Menschen (blockiert Natrium-Kalium-Pumpe bzw. die Reizweiterleitung zu den Nervenzellen und in hoher Dosis führt es zum Herzstillstand – wirklich hundsgemein). Nicht so für den Monarchfalter. Den macht das Gift eher immun gegen Fressfeinde und stärkt ihn. Seine Muskeln sind so stark, dass er sogar bis 3.600 Kilometer wandern kann! Ein Wanderer. Also, der Wanderfalter kommt eher in den USA vor – diese wandern bis nach Mexiko (bei den Menschen ist es umgekehrt – die wollen von Mexiko in die USA). Ein Wanderfalter also! Angeblich ist der Monarchfalter der am besten erforschte Falter überhaupt. Allein der Wiki-Eintrag ist endlos. (Gerne nachsehen).
In den USA wird die Seidenpflanze eher als Unkraut angesehen und mit Gift bekämpft. Da sich der Monarchfalter aber vornehmlich von Wolfsmilchgewächsen (auf den Kanaren und Madeiera Euphorbia mauretanica) und Seidenpflanzen (es gibt verschiedene Arten) ernährt, rottet man damit auch die Lebensgrundlage der Falter aus. 2010 ist angeblich die Population derart eingebrochen, dass die Umweltschützer Alarm schlagen.
Segen oder Fluch?
Aber der Monarchfalter hat noch eine andere Seite. Die Weibchen sind größer und prächtiger, die Männchen etwas kleiner. Dafür haben sie ein merkwürdiges Gehabe bei der Paarung. Sie stürzen sich auf die Weibchen und können diese festhalten! (Habe ich noch nicht beobachtet, stelle ich mir lustig vor). Miriam Rothschild (wer immer das ist, selber googeln) nannte ihn deshalb 1978 ein „Chauvinisten-Schwein“. Naja. Wiki-Wissen.
Bevor es furchtbar wird, erstmal ein Nachtrag. Ich glaube, das kennt ihr noch nicht:
playa pleasure
La Gomera, die Bananen … Republik (?).
Die kleine Atlantik-Insel wird derzeit malträtiert. Zuerst gab es einen 100%igen Stromausfall auf der ganzen Insel. Je nach Ort, 2-3 Tage lang. Es funktionierte nur das Krankenhaus, der Hafen und der Flughafen. Die haben offensichtlich ein Notstromaggregat. Sonst war alles finster. Kein Handy aufladen, keinen Sprit tanken, teilweise kein Wasser (Pumpen liefen nicht!), keine Kneipe, kein Essen, kein Kaffee. Das Zeug in der Tiefkühltruhe vergammelt, die Supermärkte und Restaurants dürfen ihre Waren wegschmeißen. Touristen sind abgereist (das Schiff fuhr ja!).
Unsere Regierung spricht ständig von alternativer Energie (seit neuestem), baut ein Windrad nach dem anderen in die Gegend, „nachhaltiges La Gomera“, Biospähren-Reservat und was weiß ich. Aber unser ewig altes Kraftwerk (Öl), völlig überholt, immer noch in Funktion, wird offensichtlich nicht gewartet, Brand im Technikraum, Generatoren hin. Ende. Black-out. Total. Null-Energie, wie sie hier sagen. Sogar der SPIEGEL brachte eine Nachricht.
Plan B für Notfälle? Fehlanzeige! Back-up? Achwo! Es mussten Generatoren aus La Palma angekarrt werden, die notdürftig die Versorgung wieder hergestellt haben. Tagelang zittert man, ob es Strom gibt oder nicht, die Straßenbeleuchtung bleibt vorsichtshalber ausgeschaltet. Vorausschauende Politik, wahrlich.
Es geht noch schlimmer
Der neueste Clou unserer intelligenten Regenten aber ist: Bäume absägen. Mitten im Sommer, in der größten Hitze. Überall auf der Welt werden Bäume geschützt und gepflanzt, auf La Gomera werden sie ohne Not einfach gefällt. Die neu gewählte (!!!) Stadtverwaltung (eine Frau als Bürgermeisterin, man glaubt es nicht) hat offensichtlich beschlossen, alle Bäume umzubringen, die nicht „von hier“ sind. Ihnen ist aber nicht aufgefallen, dass weder Kartoffeln, Tomaten, noch Bananen von hier sind. Und viele Menschen auch nicht. Und sie fangen mit den schönsten Bäumen an, die wir haben: den Flamboyants. Eine Augenweide, bewundert und fotografiert von den Touristen, spenden sie Schatten, verbessern das Klima, absorbieren CO2, die Blüten ziehen Insekten an, sind eine Wohltat fürs Atmen und gegen die Hitze etc. Ich könnte eine lange Liste mit den Vorzügen der Bäume aufzählen. Aber das ist ja überall auf der Welt bekannt. Nur bis nach La Gomera hat sich das nicht herumgesprochen.
Schattenspender, selbst bei Autofahrern beliebt
Flamboyant, auch Flammenbaum, ist aus der Familie der Johannisbrotgewächse. Ursprünglich aus Madagaskar, ein Exot aus den Tropen und Subtropen, der sich auf La Gomera wunderbar entwickelt. Ein Baum, der Schatten und atembare Luft spendet in einer Gegend, wo sonst nur die Sonne brennt und der Wind pfeift. Diese Bäume wurden vor 37 Jahren gepflanzt. Es war eine gemeinsame Aktion der Lehrer mit den Schülern, wohl um die Hitze zu bekämpfen und ein wenig Schatten zu haben. Fast einen Kilometer lang war die Straße mit den Bäumen geschmückt …
vorher nachherUnd so sieht die Zukunft aus
Sieht doch gleich ganz anders aus, und so authentisch. Die Gemeinde plant, „autóctonos“ zu pflanzen. Also, Bäume von hier: Acebuches (Ölbaum) und Almácigos (Weißgummibaum). Es gibt ein kleines Problem: diese heimischen Sorten kommen aus der mittleren Gebirgslage, sind keine Küstenpflanzen, brauchen also viel Wasser (im Gegensatz zu den Flamboyants, die holen sich das mit den tiefen Wurzeln aus dem Grundwasser). An Bewässerung wurde auch eher nicht gedacht. Ich gebe den Neulingen mitten im Sommer ein paar Wochen. Dann werden sie vermutlich Pflanzentröge mit Plastikblumen hinstellen … Oder nix. So wie jetzt in der Fußgängerzone:
vorhernachher
Herzlichen Glückwünsch an alle Verantwortlichen für diesen Frevel an der Umwelt, an den Bewohner:innen, am Klima, am gesunden Menschenverstand und unsere zukünftigen Generationen. Ich bin fassungslos.
Ach ja … wo ist eigentlich das Holz hingekommen?
Sofort in kleine Stücke zersägt und abtransportiert.